OsZ 03/11: Wofür stehe ich? Über Normen und Werte
Auch Herr zu Guttenberg wird es vermutlich schon vorher gewusst haben: Abschreiben gilt nicht. Nachdem es nicht mehr zu verheimlichen war, hat er „Fehler“ bei seiner Doktorarbeit eingestanden, in der sich nun doch sehr viele Plagiate gefunden haben. Den Doktortitel will er nun nicht mehr führen. Seine Partei und die Kanzlerin stehen hinter ihm, auch Politiker sind fehlbar, meinen sie und so hätte er das Amt des Verteidigungsministers durchaus weiter bekleiden können.
Das erinnert auch an den „Fall“ Helene Hegemann, einer Jungautorin, die vor knapp einem Jahr mit dem Roman Axolotl Roadkill debütierte, hochgelobt wurde, sich aber – wie sich rausstellte – an den Texten eines Bloggers vergriffen hatte und sich handfesten Plagiatsvorwürfen stellen musste.
Ein drittes Beispiel aus der Musikbranche: Vier große Labels der Musikindustrie haben sich in Kanada gerichtlich verglichen und bereit erklärt, rund 37 Millionen Euro Entschädigung zu zahlen, da sie die Urheberrechte an mehr als 300.000 Musikstücken verletzt hatten und ohne Lizenz Tonträger und Videos auf den Markt gebracht haben.
Angesichts dieser Beispiele und angesichts massenhaften illegalen Kopierens von Texten, Musikstücken und Filmen, erscheint es angebracht, in der Schule über das Thema geistiges Eigentum auch unter einer eher moralischen Perspektive und dem Fokus nötiger Konsequenzen zu sprechen und den eigenen Wertekanon zu schärfen. Folgende Fragen könnten einen Diskussionsauftakt bieten:
- Was muss die Konsequenz aus dem Plagiatsfall zu Guttenberg sein? Reicht das Nichtführen des Doktortitels oder kann man ihm als Politiker nicht mehr vertrauen, musste er also auch als Verteidigungsminister zurücktreten?
- Wie ist eine Musikindustrie zu bewerten, die Lizenzverstöße bertreibt und gleichzeitig ein Vorgehen gegen Urheberrechtsverstöße fordert?
- Rechtfertigt illegales Verhalten anderer eigene Urheberrechtsverstöße? Nach dem Motto: Wenn die Industrie selbst betrügt, kann ich doch auch ein paar Liedchen kopieren.
- Müssen für alle immer die gleichen Beurteilungskriterien gelten? Oder gibt es Ausnahmen?
- Setzen wir für uns selbst die gleichen Normen, nach denen wir die Handlungen anderer beurteilen?
Das Themenfeld ist unerschöpflich, als Aufhänger lassen sich sicherlich auch weitere Beispiele finden. Zu erwarten sind lebendige und konfliktreiche Diskussionen. Letztendlich ist es auch für Schülerinnen und Schüler wichtig, sich mit Fragen von Normen und Werten, Moral und Kritik auseinander zu setzen, eigene Beurteilungskriterien zu reflektieren und sich in kantschem Sinne die Frage zu stellen, ob das eigene Handeln auch für andere ein Leitbild darstellen könnte oder wie Immanuel Kant es gesagt hat: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz werde.“