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#DigitalLEBEN – Interview

Im Rahmen von „100 Köpfe – 10 Fragen“ stellte die SPD zehn Fragen zur digitalen Gesellschaft von Morgen an Thomas Schmidt, Geschäftsführer von Helliwood media & education und Medienexperte.

digitalLEBEN

1. In einer digitalen Welt zu leben, bedeutet für mich…zuerst einmal anzunehmen, dass ich selbst ein Teil dieser digitalen Gesellschaft bin, denn nur dann kann ich mein Handeln auch entsprechend ausrichten. Ganz sicher bedeutet dies aber auch, Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg in diese scheinbar unendlich attraktive Welt zu begleiten und anderen erwachsenen Begleitern Mut zu machen, die Chancen der digitalen Welt zu nutzen, ohne Risiken herunterzuspielen.

2. Unverzichtbar oder überflüssig, Arbeit oder Freizeit? Mein Computer ist für mich…
mehr als mein ständiger Begleiter. Er ist mein Tor zur Welt und vor allem Arbeitsinstrument – aber auch persönliches Archiv, Innovationsquelle, Lehr- und Lernmedium, Programmierumgebung, Präsentationsschleuder, Fotoalbum, Verwaltungshelfer, Spielplatz, Musikdatenbank, TV-Gerät und manchmal eben auch nur ein nimmersatter Zeitfresser.

3. Wirklich gut! Die größte Chance durch die Digitalisierung ist…
tatsächlich, dass wir Lernen ganz neu denken können und dass sich daraus ganz fantastische Möglichkeiten ergeben. Durch die unerhörte Transparenz und die riesigen Reichweiten werden erfolgreiche Konzepte dabei sehr schnell sichtbar und weniger sinnvolle Vorhaben werden „entlarvt” oder verwaisen auf den Festplatten der Server. Und Deutschland hätte im Bereich der digitalen Bildung mit ein wenig mehr Pioniergeist und etwas mehr Mut wahrlich etwas beizutragen. Digitale Bildungsinnovation „Made in Germany” – da habe ich richtig Lust drauf.

4. Bedrohlich! Wir müssen besonders aufpassen, dass…
Wir müssen besonders aufpassen, dass uns bei allen Aktivitäten zur Nutzung von digitalen Medien in Bildungsprozessen nicht die wichtigsten Mitstreiter wie Eltern und Lehrkräfte verloren gehen, weil sie angesichts der vermeintlichen oder tatsächlichen Gefahren die Kinder und Jugendlichen vor der Digitalisierung beschützen wollen. Insbesondere bei Familien, die man dem Bildungsbürgertum zuordnet, wachsen die Ressentiments gegen alles Digitale. Aber genau diese Familien übernehmen ja eine zentrale Rolle, sind oftmals Meinungsführer. Und wir müssen uns natürlich auch dafür einsetzen, dass Risiken klar benannt werden und dass wir lernen, diese mithilfe unserer ureigensten Kompetenzen im Griff zu behalten.

5. Die Digitalisierung verändert mein Leben durch…
die Verschmelzung von Arbeits- und Lebenswelt, also durch das Verschwinden von Grenzen zwischen dienstlichen Handlungen und privaten Aktivitäten. Es ist heutzutage weniger ein Nach- oder Nebeneinander, sondern vielmehr ein ineinander verzahntes Leben. Dazu gehören meine praktisch öffentlichen Profile in sozialen Netzwerken genauso wie das ständige Herumtragen von dienstlichen Daten, die permanente Erreichbarkeit, die öffentliche Diskussion von Dienstleistungen und Ergebnissen vermischt mit persönlichen Fotos und Standortangaben. Die Digitalisierung schafft aber auch ganz neue emotionale Erlebnisse – nämlich immer dann, wenn ich an Dingen teilhaben kann, die aufgrund örtlicher oder zeitlicher Limitierungen sonst nicht möglich wären. Und dabei verbindet sich dann die digitale Welt mit neuen analogen Erfahrungen. Herrlich – und herausfordernd zugleich.

6. Chatten mit den Enkeln, Einkaufen per Mausklick, Arbeiten ohne feste Bürozeiten. Was bringt die Digitalisierung für Familien und Ältere?
Für Familien und Ältere bringt die Digitalisierung viele neue Möglichkeiten, die sich aber erst einmal in gelerntes Verhalten einbinden lassen müssen. Natürlich sind flexible Arbeitszeiten und Homeoffice wunderbar, um Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bekommen. Aber es erfordert auch erhebliche Anstrengungen und auch das Umfeld muss hinzulernen. Mit Enkeln jederzeit digital in Kontakt zu stehen, ist fraglos eine echte Bereicherung, die wir der digitalen Welt verdanken. Aber auch hier sind Ideen und Konzepte gefragt, die der oftmals schnell einsetzenden Oberflächlichkeit.

Tiefe geben. Gerade hier können moderne Lernkonzepte anknüpfen, denn schließlich steckt in jedem Pensionär auch ein erfahrener Experte, der gerne sein Wissen teilt. Aber nichts übertrifft tatsächliche Kontakte von Menschen und gemeinsame Erfahrungen, insofern ist ein guter Mix wohl der Königsweg.

7. Programmieren in der Grundschule, das gesamte Faktenwissen der Welt in der Suchmaschine. Wie sollte Bildung in Zukunft aussehen?
Gute Bildung sollte zuerst einmal die zu „Bildenden” mit ihren Bedürfnissen und Potenzialen ins Zentrum stellen. Von dort ausgehend können oftmals ganz außergewöhnliche Bildungsergebnisse erzielt werden. Bleibt Mathematik für viele immer abstrakt und kalt, so werden mit der Programmiersprache LOGO selbst erzeugte geometrische Figuren für Grundschulkinder hoch spannend. Ist das Auswendiglernen von Daten zu fernen Ländern oftmals langweilig, so wird die Datenflut bei der Verfolgung des Zuges der Störche auf einem Kartendienst plötzlich zum Abenteuer. Und klingt eine Fremdsprache noch so fremd, so wird sie bei Schulpartnerschaften via Chat zum geliebten Vehikel. Will sagen: Die Digitalisierung kann Bildung ganz neu beleben. Bleibt man allerdings bei digitalen Schulbüchern und verwaisten Lernplattformen stehen, dann passiert gar nichts – im Gegenteil: Digitale Medien verfestigen dann nur längst überholte Bildungskonzepte. Nicht zuletzt gilt: Es lernt der Mensch und nicht das Gehirn!

8. An jedem Ort arbeiten können und ständig erreichbar sein. Was bedeutet das für die Arbeit im digitalen Zeitalter?
Arbeiten im digitalen Zeitalter ist irgendwie grenzenlos und ermöglicht Dinge, von denen viele Jahrhunderte lang viele nur geträumt haben. Und gerade als Bildungsexperte sehe ich hier mehr Chancen als Risiken. Sicher schafft diese neue Welt auch Herausforderungen, um zum Beispiel mit dieser ständigen Verfügbarkeit von Informationen und dem Zugang zu Arbeitsmitteln richtig umzugehen. Das heißt aber nicht, dass wir uns nun regelmäßig ins Analoge flüchten müssten – nein „analog” ist nicht das neue „bio”. Vielmehr wird das bewusste Zusammenarbeiten von Teams im digitalen Zeitalter auch immer die adäquate Lösung zur Gestaltung des Arbeitsumfeldes mit sich bringen. Und genauso werden Bildungseinrichtungen, die sich wirklich auf den Weg in die digitale Welt machen, Lösungen des gemeinsamen Lernens entwickeln.

9. Was müssen wir im digitalen Zeitalter tun, damit unsere Wirtschaft erfolgreich bleibt?
Ich denke, dass wir junge Menschen ausbilden müssen, die sich auf der Basis eines kulturell geprägten Wertesystems in der digitalisierten Welt engagieren. Damit meine ich zum Beispiel junge Programmiererinnen und Programmierer, die nicht einfach alles programmieren, was sich programmieren lässt, sondern dabei auch im Blick haben, was aufgrund unserer gesellschaftlichen Normen und Werte wünschenswert ist oder abgelehnt wird. Wenn wir dann noch ein bisschen mehr Pioniergeist in der Schule hätten und weniger auf den Lehrkräften als digitale Deppen der Nation herumtrampeln würden, dann wäre mir nicht bange.

10. Die Digitalisierung schafft Chancen und birgt Risiken. Von der SPD erwarte ich, dass sie…
als große Volkspartei all jene unterstützt, die sich mit Mut, Verstand und auch mit Respekt für eine digitale Gesellschaft einsetzen. Insbesondere brauchen wir Lernszenarien, die wirklich auf diese neue Welt angepasst sind, und Lernräume, in denen junge Menschen gefördert werden und digitale Medien eine ganz selbstverständliche Rolle spielen. Vielleicht brauchen wir hier wirklich weniger Breitbandanschlüsse als vielmehr eine echte Bildungsflatrate mit freiem Datenvolumen ebenso wie freien Zugang zu Bildungsmedien, Bildungserlebnissen und jederzeit aufgeschlossenen erwachsenen Begleitern.

Das Interview auf digitalleben.spd.de

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