OsZ 05/09: Fake im globalen Dorf
Früher wurde dem reitenden Boten einfach eine gefakte Nachricht untergejubelt. Oder die echte Nachricht verschwand samt echtem Boten. Und der Bote der schlechten Nachricht wurde gehängt – selbst wenn es die falsche schlechte Nachricht war, was der echte Empfänger nun wiederum nicht unbedingt wissen konnte. Wirklich sicher waren Medienbotschaften (und ihre Überbringer) offenbar schon damals nicht.
Medienkritik noch des 20. Jahrhunderts schloss lange Zeit: Vertraue keinem Medium. Später hieß es dann umsichtiger: Wir können gar nicht anders, als uns via Medien ein Bild von der Welt zu machen. Also bleibt uns nur, aus Erfahrung die richtige von der falschen Nachricht zu unterscheiden. Vom Internet hatten allerdings weder Pessimisten noch Realisten unter den Medientheoretikern bis dahin auch nur eine Vision. Genau vom 2.0-Medium erreichen uns nun ohne Ende moderne Schreckensmeldungen.
Auf Twitter wird falsch gezwitschert. Auch 140 Zeichen reichen für den Fake. Auf der beliebten Kurznachrichtenplattform (geschätzte Nutzer 4 bis 5 Millionen) wurden Anfang des Jahres Konten von Prominenten und Unternehmen gehackt. Darunter waren auch die Nutzerkonten von Facebook und von Barack Obama, in deren Namen dann gefälschte Textnachrichten in die Welt gingen. Das alles mag mancher noch dem Spieltrieb der Szene zurechnen. Eher ungemütlich wird dagegen schon die Vorstellung, Firmen könnten unsere Kaufentscheidungen beeinflussen, indem sie ihre Marketingbotschaften ins große Netz tragen – über gefälschte Nutzereinträge in Blogs und Foren. Im Prinzip möglich und durchaus Praxis, sagt die Firma infospeed , die unter anderem Seiten prüft und bewertet, auf denen es um Kundeneinschätzungen zu Produkten und Dienstleistungen geht.
Was ist heute anders als beim gefakten reitenden Boten? Die Verfügbarkeit der Boten und die Reichweite der Botschaft natürlich. Anders sind aber auch die Aufmerksamkeit für den Fake und die „soziale Kontrolle“ des Fälschens durch Medien selbst. Sowohl das falsche Gezwitscher als auch Informationen über gefakte Nutzerbewertungen für Produkte wurden durch Medien öffentlich. Da ist das globale Netz dann doch wieder globales Mediendorf, das Klatsch und Tratsch am Ende von der Sonntagspredigt zu unterscheiden weiß. Gegen den Fake im Medium hilft auch heute eine spezielle „Lesefähigkeit“, mit der man in Klatsch und Tratsch und Sonntagspredigt dann gleichermaßen eingelesen ist. Diese Fähigkeit kann auch die Schule trainieren:
- Online scheint zu fast jeder Information auch eine andere Auskunft verfügbar. Wie erhält man dann für einen Vortrag in der Schule gesichertes Wissen?
- Bei der Recherche für die Hausaufgaben stehen online zu fast jedem Thema Tausende Seiten zur Verfügung. Woran erkennt man Verlässlichkeit der Betreiber und Sicherheit der Inhalte?
- Auch der Spieltrieb hat mitunter ungewollte Nebenwirkungen. Wie ist eigentlich die juristische Bewertung einer gefakten Textbotschaft auf Seiten wie twitter – oder eben auf der Schulhomepage?
- Verlässlichkeit online ist heute auch ein Geschäftsmodell. Wer zahlt für Vertrauen im Internet, was genau ist dann das Business und was können Schüler daraus lernen?