OsZ 02/09: Gründerzeit in Gemeinschaft
Was haben die folgenden drei Beispiele gemeinsam?
[1] Die Plattform spot.us schreibt journalistische Themen zur Recherche aus. Auf diesem Weg werden Spenden zur Verwirklichung der jeweiligen journalistischen Projekte gesammelt. Der Gründer der Seite glaubt fest an sein Zukunftsmodell des Journalismus, das durch eine kritische Öffentlichkeit in Gemeinschaft getragen wird. Und verweist auf die Spendensammlung online im jüngsten amerikanischen Wahlkampf. Traditionelle Verlage und politische Kreise sind über dieses Geschäftsmodell „not amused“.
[2] Eine Webplattform listet „Gerüchte und News“ um Markenprodukte auf. Eine Art „Stiftung Warentest von unten“ soll entstehen. Fast automatisch klagen die etablierten gegen die „Gerüchteküche“. Das macht die Plattform noch attraktiver für die Community und deren Tests und Kommentare. Zugleich wird spekuliert, ob die Markenhersteller nun selbst auf der Seite ihre Beiträge hinterlegen, um sie dann in den Tests der Community prüfen zu lassen.
[3] Wikipedia, die freie Enzyklopädie, erhält im Oktober 2008 einen renommierten deutschen Preis für ihre «Mission der Aufklärung». Die Online-Enzyklopädie stellt sich der Verwirklichung eines uralten Traums der Menschheit, das Wissen der Welt in Gemeinschaft an einem Ort zu sammeln. Der große Brockhaus-Verlag gibt fast zeitgleich seinen Stammsitz Leipzig auf, wo auch der Ur-Brockhaus des seinerzeit 33-jährigen Friedrich Arnold Brockhaus (1772-1823) erschienen war.
Urheberschaft in Gemeinschaft hat durch die digitalen Netze eine historisch andere Qualität erhalten. Im ersten Fall durch die Chance auf neue Förderer einer Idee und deren Umsetzung, im zweiten durch eine neue Öffentlichkeit kritischer Konsumenten, im dritten Fall durch Überschreitung der Grenzen des verberuflichten Expertenwissens und die permanente Aktualisierung von Wissensbeständen durch das Publikum selbst.
Die zum Teil heftigen Reaktionen des traditionellen Marktes signalisieren Ratlosigkeit, zeigen aber auch die Mobilisierung neuer Potenziale. Der Anschluss an die kreativen Potenziale der Communities wird wichtiger denn je. Und auch wenn keine der drei genannten Plattformen in Deutschland entstand ist, so gibt es inzwischen auch hier kreative Anwendungen.
Das bedeutet, Urheberschaft in Gemeinschaft sprengt in der digitalen Welt unser traditionelles Teamverständnis. Wir erleben eine Gründerzeit in Gemeinschaft, die auch ein Lernfeld der Schule im 21. Jahrhundert werden sollte. Geschichten wie oben können dann den Lehrstoff liefern:
- Kritische Öffentlichkeit wird zum Förderer neuer Konzepte und Urheberschaften. Was zeichnet die Gründer solcher Seiten aus?
- Konsumenten prüfen online autonom die „Warenwelt“. Wie sichern Gemeinschaften auf diesen Plattformen den zuverlässigen Austausch von Fakten und den Nachweis der Urheberschaft?
- Das Wissen der Welt wird immer häufiger online und in Gemeinschaft gesammelt. Wie sieht eigentlich dann das Impressum aus und was kann ein Schulteam an Wissenssammlern lernen und beitragen?
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